Dienstag, 17. Februar 2009

Das Geheimnis des mitfühlenden Gehirns

Deepak Chopra

Mitgefühl wird überall gepriesen und überall vergessen. Als Urbedürfnis gibt es Mitgefühl seit Buddha und Jesus und lange vor ihnen. Für unsere Vorfahren war Mitgefühl einem Feind gegenüber, leichter, denn sie mussten nur Speer oder Keule niederlegen, während wir unser nukleares Arsenal niederlegen müssen. Trotz des Unterschieds in der Zerstörungsgewalt bleibt das Problem dasselbe. Kann ein Mensch mehr Mitgefühl entwickeln und in welchem Ausmaß?

Mitgefühl zu lehren und zu predigen hat vielleicht etwas gebracht. Die meisten Menschen sind froh, dass Jesus und Buddha gelebt haben, denken im Alltag jedoch wenig an sie. Das urspüngliche Wort für Sympathie aus dem Sanskrit, Daya, welches später zu Mitgefühl wurde, findet noch weniger Beachtung.

Sympathie ist leichter verständlich als Mitgefühl, denn sie ist so natürlich für uns wie Aggression. In unserer Fähigkeit zur Sympathie gibt es große Unterschiede zwischen Menschen. Kernspinresonanztomografien aus einem Gefängnis in New Mexico zeigen, dass das Gehirn psychopathischer Häftlinge anders funktioniert. Psychopathen haben von Geburt an keine Sympathie für andere. Sie haben kein Gewissen. Sie können schreckliche Grausamkeiten vollbringen, ohne einen Funken an Mitgefühl zu haben. Im Gegensatz dazu zeigte eine Kernspinresonanztomografie Tibetanischer Buddhistischer Mönche, die seit Jahren eine Mitgefühlsmeditation praktizierten, die höchsten Gammawellen, die je in dem Forschungslabor gemessen wurden. Gammawellen formen das Gehirn zu einem Ganzen und sind mit dem Bewusstsein verbunden. Auch die linke präfrontale Kortex, die mit Glücksgefühlen in Verbindung steht, war funktionsfähiger.
Kann das Gehirn eines Psychopathen in ein mitfühlendes Gehirn umgewandelt werden? Niemand weiß das. Die Psychiatrie hat es größtenteils aufgegeben, Psychopathen durch Medikamente oder herkömmliche Sofatherapie zu ändern. Eine Erkenntnis dieser Studien ist, dass das Gehirn formbar ist und eine Mitgefühlsmeditation zu einer wirklichen Veränderung führen kann.

Mitfühlend zu denken bewirkt scheinbar nicht mehr Mitgefühl. Mitgefühl innerlich zu praktizieren schon. Anstatt einer Laune, moralischer Pflicht oder gesellschaftlichem
Ideal ist Mitgefühl zuerst ein Wunsch und dann der Wille, das Gehirn für diesen Wunsch zu trainieren. Ich sage hier nicht, dass das Gehirn die Arbeit macht. Es passt sich einfach Ihrer Absicht an. Das Gehirn lernt neue Fähigkeiten, in dem es neue Nervenverbindungen zwischen Gehirnzellen formt.

Wenn Mitgefühl eine Fähigkeit ist, wie Geige spielen oder auf dem Seil balancieren, dann kann das Gehirn auch diese Fähigkeit lernen, in dem es dafür ein besonderes Nervennetzwerk entwickelt. Wenn ein Kind, das Video spielt, in ein paar Wochen ein neues Nervennetzwerk aufbauen kann, können wir auch spirituelle Fähigkeiten auf diese Weise entwickeln.

Der Ablauf ist einfach. Machen Sie das, was Sie wirklich interessiert, üben Sie, bis Sie eine Verbesserung bemerken und solange, bis die Veränderung bleibt.

Zunächst einmal ist es wichtig, Interesse daran zu haben, noch mitfühlender werden zu wollen. Dieses Interesse ist in unserer Gesellschaft, nicht einmal unter reifen, geistig entwickelten Menschen besonders ausgeprägt. Dann gilt es regelmäßig und immer wieder aufs Neue nach Innen zu gehen, anstatt den ständigen Forderungen des Egos nachzukommen. Geduld ist wichtig, denn es gibt eine Vielzahl an inneren und äußeren Kräften, die das Mitgefühl besiegen wollen.

Wenn Sie diesen Ablauf verinnerlichen, können Sie durch die Entwicklung eines mitfühlenden Gehirns mehr Mitgefühl entwickeln. Ich nenne dies unscheinbares Handeln auf der Ebene des Bewusstseins. Durch unscheinbares Handeln, welches das Gehirn verändert, haben Buddha und Christus ein unerschütterliches Mitgefühl entwickelt.

Wir sind alle mit der Fähigkeit zur Sympathie geboren. Das Gehirn wartet auf die nächste Anweisung, diese Fähigkeit zur Ebene des Mitgefühls auszuweiten.

Herzliche Grüße,
Deepak

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